Interview mit Waldhaus

EP:
Hallo Marwin, seit dem 21.04. steht deine neuste Scheibe in den Plattenläden. ?Rotten from within? heißt das gute Stück. Vier energiegeladene Tracks sind drauf, wobei sie alle nicht unterschiedlicher sein könnten. Kannst du uns ein wenig zu den Tracks und der Mischung erzählen?

Waldhaus:
Die Tracks auf der Platte sind, bis auf Assault 2008, alle schon etwas älter. Das liegt einerseits daran, dass ich in letzter Zeit aufgrund meines Studiums nicht mehr so viel Muße zum Produzieren habe, andererseits ist es dadurch bedingt, dass ich kein Freund von schnell gemachten, unausgegorenen Tracks bin. Ich lege viel wert auf ausgearbeitete Details, und ich denke das kann man bei allen Tracks auf der Platte auch hören.
Ich versuche auf den EPs ein möglichst vollständiges Abbild vom musikalischen Spektrum des Projektes ?Waldhaus? zu vermitteln. Das reicht von klassischem Tool-Techno, der mich in meiner Anfangsphase sehr stark beeinflusst hat (?Assault 2008? ist ein Update meiner ersten Veröffentlichung auf Crowbar), über Hardtechno (?Ich komm auf die Party...?) zu Industrial Techno, (?I hate people?) der auch gerne mit industriellem Hardcore gekreuzt sein darf (?Abolish Authorities?).

EP:
Du bestreitest deine Gigs immer wieder gemeinsam mit Weichentechnikk. Wie kam diese Zusammenarbeit zu Stande und inwiefern hat er deinen Stil beeinflusst?

Waldhaus:
Stefan und ich sind zusammen im Kindergarten gewesen! Danach haben wir uns jedoch aus den Augen verloren, und uns erst später bei einer Technoparty in unserer Stadt wiedergetroffen, das war 2003. Daraufhin begann unsere Zusammenarbeit. Stefan hat mich wohl in soweit beeinflusst, als dass ich mir an seinen Tracks oft die Bedeutung eines treibenden, ?funktionierenden? Loops bewusst gemacht habe.

EP:
Du bist ziemlich offen gegenüber anderen Musik-Genres und, dass du dich davon in deinen Produktionen inspirieren lässt, ist kaum zu überhören. Was gab für dich den Ausschlag, dein Hauptaugenmerk auf die elektronische Musik zu setzen?

Waldhaus:
Ich glaube, dass man sich nicht bewusst für einen Stil entscheiden kann, wenn man ihn nicht mag! Insofern kann ich nicht von ?ausschlaggebenden? Ereignissen berichten, die mich dazu bewegt haben, mich Techno zuzuwenden.
Ich habe früher in Bands gespielt, Gitarre, Bass und später Keyboards und Orgel. Das war allerdings eher die Rock- und Indie-Schiene. Währenddessen habe ich auch immer schon elektronische Musik gemacht. Ich habe im Lauf der Zeit festgestellt, dass meine Affinität zu elektronischer Musik und insbesondere zu Techno am größten ist und ich in diesen Genres meine Vorstellungen am besten umsetzen kann. Das gilt allerdings nur für die Produktion! Ich höre privat insbesondere Klassik und experimentelle Musik aller Art, und nur sehr sehr wenig Techno.

EP:
Die meisten DJs schwören auf das schwarze Gold, das Vinyl. Du bist allerdings hauptsächlich als Live-Act unterwegs. Was macht es für dich so attraktiv?

Waldhaus:
Ich schätze die Möglichkeit, maximale Kontrolle über das Geschehen zu haben! So kann man besser auf das Publikum eingehen. Bei Vinyl ist man auf Gedeih und Verderb dem Lauf der Rillen ausgeliefert, Live kann ich spontan einen Break verlängern, einen Loop kürzer spielen oder einfach drauflos improvisieren. Außerdem spiele ich, bis auf 1-2 bestimmte Tracks (Jan Lindenthals Crank II z.B., exzellent!), nur Material von mir, was zum Teil auch unveröffentlicht ist und bleibt.
Ich baue auch häufig in die Sets Schnipsel und Loops ein, die ich aktuell, vielleicht sogar am gleichen Abend vorher im Hotel erstellt habe. Diese Flexibilität ist als DJ natürlich nicht zu erreichen. Jedes Set wird auf diese Weise einzigartig. Bei einem DJ-Set kann man die Platten nachkaufen; so kommt es oft vor, dass an einem Abend mehrere DJs die gleichen Platten auflegen. Das langweilt mich, ich möchte etwas anderes bieten. Ich sehe daher die Nicht-Reproduzierbarkeit als Alleinstellungsmerkmal des Live-Acts.

EP:
Wie sehr achtest du auf die technologische Entwicklung und Erweiterung deines Equipments, sowohl im Hinblick auf Produktionen, als auch für deine Live-Gigs?

Waldhaus:
Ich glaube, dass man qualitativ hochwertige Technik benötigt, um adäquat arbeiten zu können! Wenn man anfängt, tut?s noch die Zimmeranlage oder das preiswertere Mischpult. Aber je weiter man fortschreitet, desto mehr merkt man, wie viel bessere Ergebnisse man mit guten Geräten erzielen kann. Man braucht ja auch keinen Mercedes um Autofahren zu lernen, aber später merkt man den Unterschied ;) Gerade gute Monitorboxen sind zum Produzieren unabdingbar, das wird leider oft nicht beachtet!
Wenn man sich aber einmal einen Grundstock an gutem Equipment angeschafft hat, sollte man sich intensiv damit beschäftigen, und versuchen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Das finde ich wichtiger, als ständig aufzurüsten.

EP:
Beschränkst du dich bei deinen Live-Acts technisch nur auf das Laptop oder nutzt du auch weitere Maschinen?

Waldhaus:
Laptop und Midicontroller reichen mir!

EP:
Das Web 2.0 hat auch der Musikwelt ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Ein aktuelles Beispiel ist da sicherlich ?3 Tage Wach?. Es war zunächst in Videoportalen zu finden und wurde so zu einem absoluten Mega-Hit propagiert. Wie stehst zu diesem Medium, würdest du sowas auch in Betracht ziehen?

Waldhaus:
Ich nutze Youtube etc. nicht, um mich zu vermarkten, freue mich aber natürlich darüber, wenn jemand Videos von meinen Auftritten dort hochlädt. Ich glaube, dass sich diese virale Art der Verbreitung schlecht steuern, und noch weniger planen lässt. Wenn man so was Ausgefallenes erstellt hat wie Lützenkirchen, kann man höchstens versuchen, es ins Netz zu stellen und hoffen dass es sich zu einem Selbstläufer entwickelt. Ob es den Kampf um die Aufmerksamkeit dann allerdings gewinnt ist fraglich.

EP:
Mit grade mal 22 Jahren bist du schon eine feste Größe in der Hardtechno-Szene und kaum noch von den großen Raves und Festivals wegzudenken. Wo siehst du für dich noch Steigerungspotential?

Waldhaus:
Naja, ganz richtig bin ich bei den großen Raves und Festivals noch nicht angekommen ;) Vielleicht kommt das ja noch. Ansonsten bin ich aber eigentlich zufrieden damit, dass ich mit meiner vielleicht nicht ganz massenkompatiblen Herangehensweise an die Musik Menschen begeistern kann. Gerade von denjenigen, die sich intensiv mit Techno beschäftigen, und nicht nur auf Parties gehen um, sowohl im Bezug auf Rauschmittel als auch im Sinne der Rezeption der Musik einfach zu konsumieren, bekomme ich gutes und differenziertes Feedback.

EP:
Siehst du dich auch in deiner Zukunft im Musik-Business?

Waldhaus:
Nein. Musik mache ich nur als Hobby. Mich begeistern noch andere Dinge außer der Musik. Ich studiere Chemie, mich faszinieren insbesondere biochemische und medizinische Zusammenhänge oder alternative Energiequellen. Zum anderen bin ich der Meinung, dass ?Berufsmusiker? nicht mehr so kreativ und wagemutig sind und sich eher auf vermeintlich ?sichere? Muster verlassen, was ihnen auch nicht zu verübeln ist, da sie ihre Brötchen verdienen müssen. Sie sind jedoch vom Publikum abhängig. Für mich bedeutet Musik zu produzieren aber, dass ich meine Vorstellungen ohne Rücksicht auf Gefälligkeit oder Marketingstrategien umsetzen kann. Nur so kann ich für mich persönlich Authentizität bewahren.

EP:
Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Freue mich sehr, dass du uns am 07.06. mit deiner ?Artillery-Kollegin?, Nadine Coalyard, die Ehre erweisen wirst!

Waldhaus:
Gern geschehen!

Eintrag vom: 09.05.2008